Mobilitätskonzept Vorarlberg: Strategischer Rahmen für die künftige Vorarlberger Verkehrspolitik

Mobilitätskonzept Vorarlberg: Strategischer Rahmen für die künftige Vorarlberger Verkehrspolitik

Umfassendes Konzept für die nächsten zehn bis 15 Jahre

In den letzten eineinhalb Jahren wurde vom Amt der Vorarlberger Landesregierung das neue „Mobilitätskonzept Vorarlberg“ erarbeitet. „Es baut auf dem Verkehrskonzept aus dem Jahr 2006 auf und berücksichtigt aktuelle Rahmenbedingungen, neue Entwicklungen und zukünftige Herausforderungen im Bereich der Mobilität in Vorarlberg“, informieren Landeshauptmann Markus Wallner und Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser. Das neue Mobilitätskonzept soll noch im Sommer als verkehrspolitische Leitlinie für die nächsten zehn bis 15 Jahre beschlossen werden.

Vorarlberg ist ein sehr dynamischer Lebens- und Wirtschaftsraum. Die Bevölkerungszahl hat allein in den letzten 15 Jahren um 40.000 auf über 390.000 Menschen zugenommen, die Zahl der unselbständig Beschäftigten innerhalb von zehn Jahren von gut 142.000 auf rund 170.000. Vor allem in den städtischen Gebieten im Rheintal, in den Bodensee- und Hofsteiggemeinden und auch in den meisten Talschaften werden in Zukunft noch mehr Menschen leben und arbeiten. Vorarlbergs Wirtschaft entwickelt sich gegenüber Gesamtösterreich, aber auch im europäischen Vergleich überdurchschnittlich.

"Davon profitieren alle. Aber der Raum wird nicht mehr und die Anforderungen werden vielfältiger. Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Erholung, Landwirtschaft, Tourismus, Verkehr, Soziales, regionale Zusammenarbeit und viele andere Aufgabenbereich sollen möglichst gut aufeinander abgestimmt und aktiv gestaltet werden", so Landeshauptmann Wallner. Dies stellt auch die Mobilität vor Herausforderungen – die Antworten dazu sind im neuen Mobilitätskonzept zusammengefasst. Das neue Mobilitätskonzept dient als Handlungsanleitung für die künftige Mobilitäts- und Verkehrspolitik des Landes.

Im Mobilitätskonzept Vorarlberg 2019 sind Grundsätze und Ziele für die künftige Vorarlberger Verkehrspolitik formuliert, aus denen sich Schwerpunkte und Maßnahmen ableiten, erläutert der Landesstatthalter: „Wesentliche Grundsätze sind, den Verkehr umweltverträglich und sicher zu gestalten sowie eine gute Erreichbarkeit für Wirtschaft und Bevölkerung zu gewährleisten. Unser Ziel in Vorarlberg ist es, noch mehr Personen zum Umstieg auf den Öffentlichen Verkehr und den Radverkehr zu motivieren. Dies schützt Umwelt und Klima und trägt auch maßgeblich zu einer Verkehrsentlastung auf unseren Straßen bei. Verkehrsplanung ist immer auch Raumplanung: Der öffentliche Raum gehört allen und darf keinesfalls nur auf die Bedürfnisse von PKWs und LKWs ausgerichtet werden.“

Umfangreiche Vorarbeiten mit breiter Einbindung

Im Zuge des Prozesses wurden nicht nur Expertinnen und Experten eingebunden – auch der Mitarbeit von Bürgerinnen und Bürgern wurde ein großer Stellenwert eingeräumt: So wurden ein „Mobilitätsabend“ (Mai 2018) in Lustenau mit rund 100 Teilnehmenden und ein Bürgerrat (Juni 2018) durchgeführt. Die Ergebnisse des Bürgerrats wurden im Rahmen eines öffentlichen Bürgercafes (Juni 2018) breit diskutiert. Im Rahmen eines Workshops mit über 100 Jugendlichen und Schülern (Februar 2019) wurde zudem die Sicht der jungen Generation zur zukünftigen Mobilität in Vorarlberg abgefragt und diskutiert. Der Entwurf liegt nun vor und liegt bis 24. Mai zur Begutachtung auf.

Strategischer Rahmen und Zielsetzungen

Im Mobilitätskonzept Vorarlberg ist ein strategischer Rahmen für die künftige Vorarlberger Verkehrspolitik definiert, welcher

  • grundsätzliche Haltungen, die den verkehrspolitischen Anspruch für alle Handlungen darlegen („vernünftig, verantwortungsvoll, vorausschauend“),
  • Grundsätze, die Haltungen konkretisieren und die Schwerpunkte begründen (z.B. „Verkehr umweltverträglich und sicher gestalten“, „ein effizientes Verkehrssystem“, „Raumentwicklung und Mobilität abstimmen“) und
  • verkehrs- und umweltpolitische Ziele (z.B. Modal-Split-Ziel, dass mehr Wege im Umweltverbund zurückgelegt werden sollen)

umfasst. Wie bereits im Verkehrskonzept Vorarlberg 2006 stellt die Änderung des Mobilitätsverhaltens, also eine Stärkung der Modal-Split-Anteile des Umweltverbunds (Öffentlicher Verkehr, Radverkehr, Fußgängerverkehr), eine wesentliche Zielsetzung des neuen Mobilitätskonzeptes dar.

Diese ambitionierte Zielsetzung einer weiteren Erhöhung des ÖV- und Radverkehrsanteils bei gleichzeitiger Verringerung des MIV-Anteils stellt – gemeinsam mit technologischen Änderungen hin zu vermehrt emissionsarmen Antrieben – auch eine Notwendigkeit zur Erreichung der Österreichischen Klimaschutzziele (Reduktion der CO2-Emissionen um -36% bis 2030) dar.

Weitere Ziele betreffen die Luftqualität, die Verkehrssicherheit, die Sicherung der Erreichbarkeit für Wirtschaft und Bevölkerung sowie eine positive Beeinflussung des Mobilitätsverhaltens.

Modal Split Entwicklung in Vorarlberg 2003 – 2017 und Ziele für 2030:
(KONTIV-Erhebung Wege der VorarlbergerInnen)

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Neun Schwerpunkt-Handlungsfelder

Insgesamt wurden neun Schwerpunkt-Handlungsfelder definiert, denen in den nächsten zehn bis 15 Jahren besonderes Augenmerk geschenkt werden soll. So wurden beispielsweise die Themenfelder Güterverkehr, Verkehrssicherheit und die Gestaltung des öffentlichen Raums in den Ortszentren als künftige Schwerpunkte festgehalten und Maßnahmenvorschläge in diesen Bereichen erarbeitet. Parallel dazu wurde das Mobilitätskonzept inhaltlich mit der neuen Raumplanungsstrategie „Raumbild 2030“ abgestimmt.

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Schwerpunkt Öffentlicher Verkehr und Radverkehr

Das Mobilitätsverhalten der Vorarlberger Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Wurden 2003 – vor Beginn des Vorarlberger Verkehrskonzeptes 2006 – noch 44 Prozent der Wege im Umweltverbund zurückgelegt, konnte der Anteil bis 2017 auf 48 Prozent gesteigert werden. Dies war aufgrund eines konsequenten Ausbaus des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs möglich. Diese Entwicklung hin zu einem Qualitätsnetz mit attraktiven Schnittstellen soll in den nächsten Jahren noch deutlich verstärkt werden.

Neben einer weiteren Verbesserung des Angebots soll der Ausbau der Bahnhöfe und Haltestellen als intermodale Knoten fortgesetzt und durch neue Angebote (attraktive Fahrradabstell-möglichkeiten, Leihradsysteme, Carsharing) ergänzt werden.

Aufbauend auf der aktuellen Radverkehrsstrategie „Kettenreaktion“ soll der Radverkehr dabei auch als wichtiger Zubringer zum Öffentlichen Verkehr dienen.

Schwerpunkt Öffentlicher Raum und Verkehrssicherheit

Lebendige und lebenswerte Stadt- und Ortskerne sind ein wesentliches Ziel im Raumbild Vorarlberg 2030. In vielen Vorarlberger Gemeinden führen stark befahrene Landesstraßen mitten durch Ortskerne. Hier treffen die Ansprüche aller VerkehrsteilnehmerInnen und das Bedürfnis nach Aufenthalt in einer gestalteten und umweltfreundlichen Umgebung aufeinander. Grundsätzlich ist die Gestaltung von Ortszentren eine kooperative und interdisziplinäre Aufgabe.

Ziel wird es deshalb sein, hier im Rahmen von Werkzeuge und Leitfäden Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zu schaffen, die ein verträglicheres Miteinander von Autos, Radfahrern und Fußgängern gewährleisten. Hier sollen gemeinsame Planungsgrundsätze erarbeitet werden.

Die verkehrspolitischen Ziele zur Verkehrssicherheit, die im Verkehrskonzept Vorarlberg 2006 beschlossen wurden, konnten nicht erreicht werden. Vielmehr sind die Verkehrsunfälle in den letzten Jahren leicht gestiegen – gegen den österreichischen Trend. Das Land Vorarlberg verfolgt aber weiterhin das Ziel der Vision Zero – keine Todesopfer im Straßenverkehr. Überhöhte Geschwindigkeit ist eine der wesentlichsten Unfallursachen und wirkt vor allem auf die Unfallschwere. Das Land Vorarlberg strebt daher einheitliche Geschwindigkeitsregimes an: Tempo 80 auf Freilandstraßen, höchstens Tempo 50 auf Hauptverkehrsstraßen im Ortsgebiet, Tempo 30 in Wohngebieten und in verkehrsberuhigten Zentren. Schließlich trägt eine reduzierte Geschwindigkeit zu einer deutlichen Senkung des Unfallgeschehens und der Unfallschwere bei. Unfallhäufungsstellen sollen systematisch und konsequent beseitigt werden.

Schwerpunkt Mobilitätsmanagement und Öffentlichkeitsarbeit

Das Mobilitätsmanagement bei Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Schulen soll konsequent weitergeführt und intensiviert werden.  Bei der Ansiedlung von großen „Verkehrserregern“ (Einkaufszentren, Fachmärkte, Supermärkte, Betriebe) wird angestrebt, künftig verkehrsträgerübergreifende Mobilitätskonzepte zu erarbeiten.

Die Verkehrsspitzen im Tourismus sollen durch ein Bündel von Maßnahmen (Anreize Öffentlicher Verkehr, Parkraummanagement, Pilotregion für nachhaltige Mobilität im Tourismus…) reduziert werden. Darüber hinaus soll die Öffentlichkeitsarbeit für die nachhaltige Mobilität für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen gezielt fortgesetzt werden.

Schwerpunkt Güterverkehr und Straßenverkehr

Vorarlberg hat etwa 800 km Landesstraßen mit 600 Brücken, die in hoher Qualität benutzbar sein müssen. Oberste Priorität hat deshalb die Straßenerhaltung und die laufende Sanierung von witterungsbedingten Schäden, wie sie durch den Klimawandel offenbar häufiger werden. Es gibt aber auch überlastete Straßenabschnitte im Bereich von Autobahnanschlussstellen und auf Landesstraßen, die Maßnahmen erfordern.

Das Land Vorarlberg hält an den großen, laufenden Straßenprojekten fest – darunter fallen insbesondere der Stadttunnel Feldkirch, das Projekt Rheintal Mitte, die L 82 in Bürs (A 14 Anschlussstelle), die L 46 Hohenems (A 14 Anschlussstelle und Anbindung Betriebsgebiete) sowie der Neubau der Rheinbrücke in Hard. Für geplante Landesstraßenprojekte wie die Umfahrungen in Alberschwende, Egg und Lorüns oder die Ortsdurchfahrt Bludenz wird eine Prioritätenreihung erarbeitet. Bei den Bundesstraßen – konkret beim S18-Nachfolgeprojekt - priorisiert das Land die Variante Z.

Der gesamte Güterverkehr hängt unmittelbar mit der Wirtschaftslage zusammen. So erklärt sich der Rückgang nach 2008, aber auch die Zunahme des Güterverkehrs in den letzten Jahren. Der günstigere Treibstoffpreis und die im Vergleich zur Schweiz niedrigere Straßenbenützungsgebühr machen oftmals Umwege durch Vorarlberg attraktiv. Es soll daher ein Güterverkehrs- und Logistikkonzept erarbeitet werden, das auf dem umfassenden Informationsaustausch zwischen den Fachabteilungen des Landes und den VertreterInnen der transportierenden und verladenden Wirtschaft basiert.

Eine Verkehrssteuerung bzw. Verkehrsbeeinflussung auf der A 14 ist zur Erhöhung der Verkehrs-sicherheit und für den Umweltschutz grundsätzlich erforderlich.

Schwerpunkt Verkehrs- und Raumplanung abstimmen

Die Verkehrs- und Raumentwicklung hängen unmittelbar zusammen. Das Land Vorarlberg legt gleichzeitig mit dem Mobilitätskonzept Vorarlberg 2019 ein räumliches Leitbild, das Raumbild Vorarlberg 2030 vor, mit dem eine vorausschauende, aktive räumliche Planung forciert werden soll. Mit dem Mobilitätskonzept Vorarlberg gibt es zahlreiche Synergien, die in den kommenden Jahren genutzt werden sollen. So sollen räumliche Entwicklungs- und Mobilitätskonzepte enger miteinander abgestimmt werden, das Funktionskonzept Rheintal-Walgau konkretisiert werden, und die grenzüberscheitende, fachübergreifende Zusammenarbeit ausgebaut werden. Verdichtungsmöglichkeiten in gut erschlossenen Gebieten (z.B. Bahnhöfe) soll ausgelotet werden.

Schwerpunkt Perspektiven der Mobilität und Mobilitätspolitik

Die Zukunft der Mobilität ist in einem starken Wandel begriffen. Die gegenwärtigen Trends und Entwicklungstendenzen sind – aufgrund ihrer Dynamik – nicht einfach zu beurteilen. Sie sollen daher systematisch beobachtet werden und periodisch in einem Lagebericht „Perspektiven der Mobilität“ zusammengefasst werden. Angedacht sind hier ein „Zukunftsbeirat“ und ein „Zukunftstag“. Für innovative und visionäre Vorschläge sollen Planungsgrundsätze und eine Vorgangsweise (Faktencheck, Beratungsprozesse) festgelegt werden.

Grundsätzlich soll das Prinzip der Kostenwahrheit – der Anlastung tatsächlicher Verkehrskosten der einzelnen Verkehrsträger – stärker berücksichtigt werden. Das Land Vorarlberg wird sich deshalb für faire Verkehrskosten einsetzen und ein zukunftsweisenden bundesweites Verkehrsrecht einfordern.

Foto: www.fasching.photo


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